Am 14. Juni interviewte die ARD in Kooperation mit dem Deutschlandfunk den ägyptischen Militärdiktator Abdel Fatah Al-Sisi, der jedoch in der Berichterstattung beider Rundfunkanstalten lediglich als Staatspräsident vorgestellt wurde. Der SWR war daran als Landesrundfunkanstalt der ARD und in der Person von Cai Rienäcker beteiligt.
Das aufgezeichnete Gespräch kann nicht anders als ein Gefälligkeitsinterview klassifiziert werden und ist öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten eines demokratischen Staatswesens unwürdig. Indem sie den ägyptischen Diktator Al-Sisi unwidersprochen behaupten ließen, dass in Ägypten Meinungs- und Pressefreiheit herrschten, taten die Journalisten von SWR, WDR und Deutschlandfunk auch ihrer eigenen Zunft keinen Gefallen, sondern erhoben sie die Zustände in einer Militärdiktatur zum akzeptablen Maßstab.
Auf der Rangliste der „Reporter ohne Grenzen“ steht Ägypten 2017 auf Platz 161 von 180 – in derselben Kategorie wie Nordkorea, China, Saudi Arabien und Libyen. Ägypten wird von der Organisation als „eines der größten Gefängnisse der Welt für Journalisten“ bezeichnet, unter Al-Sisis Herrschaft führe die Regierung seit 2013 eine wahre „Hexenjagd“ gegen Journalisten. Mindestens zehn Journalist_innen wurden seit 2011 ohne angemessene Strafverfolgung getötet. Am 3. Februar wurde die Leiche des italienischen Doktoranden Giulio Regeni, der zur Lage der Gewerkschaften in Ägypten recherchierte und publizierte am Stadtrand von Kairo aufgefunden. Seine Verwundungen wiesen Spuren intensivster Folter über mehrere Tage auf. Menschenrechtsorganisationen gehen von über 40.000 politischen Gefangenen in Ägypten aus, die meist ohne Anklage und Verhandlung festgehalten werden, viele sind bereits in Haft verstorben.
Ebenso unwidersprochen wie zum Thema Meinungs- und Pressefreiheit darf sich Diktator Al-Sisi zu notwendigen Maßnahmen bei der Bekämpfung des Terrorismus, zum Konflikt mit Katar, zur Migration aus Afrika und der richtigen „Balance … zwischen der Wahrung der Menschenrechte und der Wahrung der Sicherheit und Einheit des Landes“ äußern. Mehrfach bedankt er sich im Interview für die Gelegenheit, sich „an die deutsche Öffentlichkeit zu wenden.“ Die Forderung nach militärischer Unterstützung im Krieg gegen den Terror und nach deutscher Hilfe bei der Polizeiausbildung wurde Al-Sisi von den Journalisten geradezu in den Mund gelegt. Seine Forderungen nach deutscher Unterstützung bei der Bekämpfung des Terrorismus lief den ganzen Tag über die Nachrichtenticker und in den stündlichen Nachrichten des Deutschlandfunks und vieler ARD-Rundfunkanstalten. Von einer Militärdiktatur, die Luftangriffe auf die eigene Bevölkerung fliegt und dabei auch schon versehentlich mexikanische Touristen getötet hat, braucht Deutschland jedoch keine Tipps im Krieg gegen den Terror.
Empörend finden wir auch, wie insbesondere der Deutschlandfunk in seiner Aufbereitung der selbstgemachten Nachricht über das „Exklusiv-Interview mit dem ägyptischen Präsidenten“ Ängste schürt und damit allem Anschein nach Verständnis für das repressive Vorgehen der Militärdiktatur schaffen will: „Ägypten sei ein Land mit 93 Millionen Einwohnern“, wird Al-Sisi indirekt zitiert; „Wenn es zerfalle, dann würden sich die Menschen auf die Flucht begeben. Auch in Deutschland habe man in den vergangenen Jahren gesehen, wieviele Flüchtlinge aus Syrien und anderen Ländern gekommen seien“.
Womöglich kann es journalistisch durchaus geboten sein, in deutschen Medien auch mal Autokraten aus anderen Staaten zu Wort kommen zu lassen. Die hier vorliegende, an Unterwürfigkeit grenzende Kritiklosigkeit jedoch ist unerträglich und können wir nur dadurch nachvollziehen, dass der staatliche Rundfunk hier auffällig auf einer Linie mit der Bundesregierung agiert, die die ägyptische Diktatur ebenfalls unter völliger Ignoranz ihrer Menschenrechtsbilanz zum engen Partner auserkoren hat. Nicht zufällig befand sich Diktator Al-Sisi bereits zum dritten Mal seit seiner gewaltsamen Machtübernahme in Deutschland – Sehr zum wohlwollen der Bundesregierung, wäre ihr G20-Afrika-Partnerschaftsgipfel doch ansonsten ohne Präsenz relevanter afrikanischer Regierungschefs über die Bühne gegangen. Dieser Gleichklang von Regierungspolitik und staatlichen Rundfunk in der Hofierung von Diktaturen gibt dem Gefälligkeitsinterview mit Al-Sisi einen besonders schalen Beigeschmack.